"Probleme mit Ansage" Stellungnahme von Pastor Dr. Lüder Meyer-Stiens

"Probleme mit Ansage" Stellungnahme von Pastor Dr. Lüder Meyer-Stiens

Manche Probleme entstehen ganz plötzlich. Und manche Probleme ergeben sich mit Ansage. Sie kündigen sich an, dass sie eintreten werden, wenn es so weitergeht wie bisher. Wenn der TuS Haste ab 2025 kein Gelände mehr in Haste hat, wird sich das massiv auf unseren Stadtteil auswirken. Es wird Folgen haben und ich bin sicher, es werden keine guten sein.
 
Vorab: Selbstverständlich gilt das Recht auf Privateigentum. Und ebenso kann auch die öffentliche Hand nicht grenzenlose Zugeständnisse machen; schließlich handelt es sich um Steuergelder und Balancen müssen dabei gewahrt werden. Beide Perspektiven haben ihr Recht. Die Verhandlungen um Geld oder Alternativstandorte müssen die Zuständigen führen.
 
Mir geht es um etwas Anderes: Was ist dem Gemeinwohl und dem Frieden in unserem Stadtteil langfristig dienlich? Ich stelle diese Frage als ev.-luth. Pastor, weil es biblischem Auftrag entspricht, „der Stadt Bestes zu suchen“ (Jeremia 29,7). Außerdem bin ich um eine Stellungnahme gebeten worden. Als Mitglied in der Spielvereinigung Haste lässt mich das Geschick des TuS Haste nicht kalt. Schließlich geht es um unsere Lebensqualität vor Ort.
 
Haste ist ein Stadtteil mittlerer Größe von ca. 6.600 Einwohnern. Man merkt auch heute noch, dass es sich früher um ein Dorf gehandelt hat. Ich komme vom Dorf. Kennen Sie ein Dorf ohne Sportverein bzw. ohne einen Fußballverein? Dass das so ist, hat seine guten Gründe.
 
Es ist naiv zu glauben, dass es sich bei Sportvereinen und Freizeitsport nur um körperliche Bewegung dreht.
 
1. Lernen wir das nicht gerade in dieser Coronakrise, in der wir Abstand halten müssen? Wo kann denn eine permanent gestresste Bevölkerung ihre aufgestauten Energien loswerden, ihre Anspannungen, ihren Ärger? Eltern von schulpflichtigen Kindern zum Beispiel wissen um diese Notwendigkeit sehr genau. Sport ist Therapie gegen Frust. Sport holt vom Computer weg, vom Bürostuhl herunter.
 
2. Sport v.a. gemeinsamer Sport verbindet. Die Vereinzelung der Menschen hat deutlich zugenommen. Auch diese Folgen lassen sich derzeit sehr präzise beobachten. Die Aufspaltung der Gesellschaft ist im vollen Gange, es bilden sich mehr und mehr Parallelwelten. Die Frage ist deshalb umso dringlicher: Wo kommen Menschen denn (noch) zusammen und erleben Gemeinschaft? Irgendwann endet Corona doch. Wo erfahren Menschen denn, dass freiwilliges, unentgeltliches Arbeiten für die Gemeinschaft guttut? Wo werden soziale, bildungsmäßige, altersmäßige, religiöse Unterschiedlichkeiten nach hinten geschoben? Kurzum: Wo lernen wir auf einfache Weise Integration?
 
In den Kirchen, gewiss, weil wir um den Wert von Gemeinschaft wissen und verschiedene Menschen in Kontakt bringen. Der Punkt ist: Auch Sportvereine integrieren, anders zwar als die Kirchen, aber deswegen nicht weniger wichtig. Integration beginnt manchmal ganz schlicht mit einem Ball und der Frage: „Willst du mitspielen?“ Die Wahrheit eines Sportvereins liegt nicht nur „auf‘m Platz“, das Drumherum ist enorm wichtig und nicht einfach nur Beiwerk.
 
Keine Organisation, keine Institution erreicht (mehr) alle Menschen. Aber genau aus diesem Grund muss es verschiedene Möglichkeiten geben, dass und wie man Gemeinschaft leben kann. Integration muss breit aufgestellt sein. Deshalb ist der TuS in der Mitte des Dorfes so wichtig. Nicht ganz zufällig ist er Partner beim ökumenischen Adventskonzert der röm.-kath. Christus-König-Gemeinde und der ev.-luth. Paul-Gerhardt-Gemeinde geworden.
 
Den TuS Haste als Integrationsgemeinschaft müssen wir nicht erfinden, er ist längst da.
 
Einiges dazu zu sagen hätten mit Sicherheit: das Mehrgenerationenhaus, der Kindertreff, die Grundschule Haste, die Kindergärten vor Ort. Die gilt es zu hören, denn sie können Auskunft geben, welche Entwicklungen sich in den letzten Jahren ergeben haben. Manches davon kann durchaus beunruhigen.
 
3. Der TuS Haste funktioniert, und zwar sehr gut. Der Verein ist saniert, er hat eine vorbildliche und erfolgreiche Jugendarbeit, die in Osnabrück nur noch vom OSC übertroffen wird. Der TuS Haste liefert. Aber wie lange noch? Ich weiß das aus meiner vorherigen Arbeit als Pastor in Hannover: Wer über einen langen Zeitraum nicht weiß, wo er sich perspektivisch aufstellen kann, kann bald mürbe werden und verliert seine Kraft zum ehrenamtlichen Engagement. Ja, Verhandlungen können lange dauern. Was jedoch endlich gebraucht wird, ist Klarheit, damit man weiß, wie man weiterplanen kann und damit u.a. dringend benötigte Investitionen getätigt werden können.
 
4. Der TuS Haste funktioniert vor Ort. Das lässt sich nicht einfach beliebig ersetzen. Kann sich jeder das Nettebad leisten? Oder das Fitnessstudio? Und es haben auch nicht alle Eltern, Alleinerziehende die Zeit und das Geld, ihre Kinder stets in andere Stadtteile zu karren. Fehlt das, fehlt also der TuS Haste, reißt das nach meiner Überzeugung eine enorme Lücke in unser Miteinander in diesem Stadtteil, die sich nicht so ohne weiteres bzw. gar nicht schließen lässt. Dieser Verantwortung sind sich die Verhandlungsführer hoffentlich bewusst. Das nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen, ist der Sinn dieses Statements.
 
Pastor Dr. Lüder Meyer-Stiens
Paul-Gerhardt-Gemeinde Haste, Rulle, Lechtingen